Zugang bei der Versendung von E-Mails
Der Zugang elektronischer Erklärungen wird im § 12 ECG geregelt. § 12 ECG geht über die entsprechende Richtlinie insoweit hinaus, als die dort festgelegte Zugangsregel nicht nur für Bestellungen (also für Vertragsanbot- oder Annahmeerklärungen) und Empfangsbestätigungen, sondern auch für alle anderen rechtlich erheblichen elektronischen Erklärungen gilt. § 12 ECG ist ferner auch dann anzuwenden, wenn kein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinn des § 3 Z 1 ECG vorliegt, etwa bei einem bloßen Austausch von E- Mail-Erklärungen, sei es, dass zwischen Unternehmen kommuniziert wird, sei es, dass in einem Verbrauchergeschäft elektronische Erklärungen ausgetauscht werden, sei es, dass Private untereinander auf solche Art und Weise verkehren. Damit können die für den Zugang von Erklärungen auf der Grundlage der §§ 861 ff ABGB von der Rechtsprechung und der Lehre entwickelten Rechtssätze zum Zugang von Erklärungen auch auf elektronische Erklärungen angewendet werden. Nach allgemeinem Zivilrecht gilt eine Erklärung als zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass nach regelmäßigen Umständen mit der Kenntnisnahme durch ihn gerechnet werden kann und Störungen nur mehr in seiner Sphäre, nicht aber beim Absender oder bei der „Übermittlungsanstalt“ möglich sind.[1]
In § 12 ECG soll für elektronische Erklärungen ausdrücklich festgeschrieben werden, dass es auf den Abruf „unter gewöhnlichen Umständen“ ankommt (siehe auch § 312e Abs. 1 letzter Satz BGB in der Fassung des deutschen Regierungsentwurfs für ein Schuldrechtsmodernisierungsgesetz). Das hat zum einen zur Folge, dass technische Störungen auf der Seite und im Machtbereich des Empfängers nicht dem Absender der Erklärung zur Last fallen können. Zum anderen soll dadurch ausgedrückt werden, dass eine elektronische Erklärung nicht schon dann als zugegangen gilt, wenn sie faktisch abrufbar ist; vielmehr soll sie beim Eingang während der Nachtzeiten oder am Wochenende so wie andere Erklärungen (siehe etwa Koziol/Welser, Bürgerliches Recht11 I 101) erst mit Beginn der Geschäftszeiten als zugegangen gelten. Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Zugangsregeln kann auch das Problem gelöst werden, dass ein Absender eine Erklärung an eine elektronische Postadresse sendet, bei der er nicht mit dem Abruf der Erklärung rechnen kann (etwa eine Adresse, die er sich über Dritte beschafft hat und die vom Empfänger nicht oder kaum überprüft und abgefragt wird). In einem solchen Fall kann der Absender nach der nach allgemeinem Zivilrecht maßgeblichen Empfangstheorie nicht davon ausgehen, dass die Erklärung abgerufen wird.[2] Anders wird es sich dagegen verhalten, wenn der Empfänger der Erklärung dem Absender seine elektronische Adresse bekannt gegeben hat und keine Zweifel darüber bestehen, dass er diese Adresse ständig verwendet und dort eingegangene Mails abruft.[3]
Eine elektronische Zugangstelle ist durchaus mit einem Briefkasten vergleichbar. Dieser Umstand wurde durch den Gesetzgeber in § 12 ECG entsprechend Rechnung getragen. Das ECG gilt für Unternehmer und Konsumenten in gleicher Weise, jedoch ist §12 ECG nicht als Zustellvermutung zu verstehen. Die Zugangsregelung des § 12 ECG ist lex specialis zu § 862a ABGB, ausgehend von der im Zivilrecht geltenden Empfangstheorie. Eine „Zugangsfiktion“, wie sie als Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG gerügt wird, wurde durch den Gesetzgeber für elektronische Vertragserklärungen bewusst spezialgesetzlich in § 12 ECG verankert. Eine derartige Formulierung entspricht auch den zeitlichen Vorgaben über den Zugang einer Erklärung in § 862a ABGB, wenngleich die konkrete Formulierung dort anders lautend ist. Insofern ist auch in der allgemeinen Regelung des ABGB eine „Zugangsfiktion“ enthalten.[4]
Es wird rechtlich die Ansicht vertreten, dass gemäß § 12 ECG elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen gälten, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt seien, unter gewöhnlichen Umständen abrufen könne. Nach herrschender Auffassung sei ein E-Mail für den Empfänger in dem Zeitpunkt abrufbar, in dem es in seiner E-Mailbox eingelangt und gespeichert sei und am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden könne, das heiße, sobald ein Abruf durch den Empfänger möglich sei. Die Beweislast für den Zugang des E-Mails treffe nach allgemeinen Beweislastregeln den Absender.[5]
Der Absender muss beweisen, dass die elektronische Rechnung tatsächlich zugegangen ist. Ein E-Mail-Sendeprotokoll ist kein ausreichender Nachweis des Zugangs. Vielmehr verlangt der OGH vom Absender – analog dem Einschreiben mit Rückschein – eine Empfangsbestätigung des Adressateneinzuholen (zB in Form eines bestätigenden Antwortmails oder auch durch telefonische Rückfrage). Ob die Aufforderung zu einer Lesebestätigungen („Disposition-Notification-To-Header“) oder Zustellbestätigungen mittels DSN als ausreichender Beweis für die erfolgte Zustellung gelten, ist noch nicht ausjudiziert, der OGH scheint hier aber eine eher konservative Haltung einzunehmen. Während man mit einem Unternehmer eine Zustellvermutung (zB positives Fax- oder E-Mail-Sendeprotokoll) vertraglich vereinbaren und damit zumindest die Beweislast umdrehen kann (bei Vorliegen des Sendeprotokolls muss der Empfänger beweisen, dass er nicht erhalten hat), wäre eine dbzgl Vereinbarung mit einem Konsumenten für diesen gem § 6 Abs 1 Z 3 KSchG nicht bindend.[6]
Aus diesen Gründen ist die hM die, bei der E-Mail gar keinen Anscheinsbeweis zuzulassen und in jedem Fall dem Absender die Beweislast aufzubürden. Es sollte diesem überlassen bleiben, unter Aufbietung aller zur Verfügung stehenden Beweise das Gericht vom Mailzugang zu überzeugen.[7]
Laut einer Deutschen Entscheidung gilt ein E-Mail als zugegangen, wenn es in die Mailbox des Empfängers gelange. Ein Beweis des ersten Anscheins für den Eingang in der Mailbox des Empfängers ergebe sich aber nicht bereits dann, wenn der Absender die Absendung des E-Mails beweisen könne. Denn die Absendung allein biete keinerlei Gewähr dafür, dass die Nachricht den Erklärungsempfänger bzw dessen Mailbox tatsächlich erreiche. Es sei nämlich nicht auszuschließen, dass die Nachricht, etwa wegen Fehlern in der Datenleitung oder den vom Absender verwendeten Programmen, tatsächlich nicht in die Mailbox des Empfängers gelange.[8]
Der OGH erklärt eine AGB Klausel, dass die Rechnung als zugestellt gilt, sobald sie für den Kunden abrufbar ist, für nichtig, da dies dem § 6 Abs 1 Z 3 KSchG widerspricht, weil die Rechnung (vergleichbar mit der Bereitstellung zur Abholung) nicht in den Machtbereich des Kunden gelangt. Hierbei wird wohl nicht auf den Zugang der E-Mail samt rechtlich erheblicher elektronischer Erklärung (zB Rechnung) abgestellt, sondern lediglich auf die Online-Bereitstellung derselben auf einem extra Internetportal, da dies einen Mehraufwand für den Erklärungsempfänger bedeutet und es zu weiteren technischen Störungen auf der Seite und im Machtbereich des Absenders kommen kann (zB Verständigung der Rechnung via E-Mail empfangen, jedoch ist das Internetportal nicht erreichbar).[9]
[1] Vgl Rummel in Rummel, AGBGB3 Rz 2 zu § 862a ABGB.
[2] Vgl Zankl, NZ 2001, 326.
[3] RV 817 BlgNR, XXI. GP zu § 12 ECG.
[4] HG Wien 10 Cg 71/10 m-19.
[5] OGH 2 Ob 108/07g.
[6] OGH 2 Ob 108/07g, OGH 7 Ob 24/09v, OGH 3 Ob 69/10h.
[7] Vgl Franz Schmidbauer, Beweis und Anscheinsbeweis bei der Übermittlung einer E-Mail-Erklärung, Zak 2008/151, 83.
[8] OLG Köln 3 U 167/05 vom 5.12.2006.
[9] OGH 7 Ob 84/12x.